Meldung 2176

Donnerstag, 13.12.2018, 07:00 Uhr

aktuell24
Großkontrolle der Polizei hat Paketdienste im Visier, mit erschreckendem Ergebnis:

Gerade zur Weihnachtszeit gehen noch mehr Pakete auf die Reise zu ihren Empfängern - Für die Fahrer der Paketdienste eine enorm hohe Belastung, Arbeitszeiten von mehr als 13 Stunden täglich sind da keine Seltenheit - Fahrer putschen sich immer öfter mit Alkohol und Drogen auf, um diesen unhaltbaren Arbeitsbedingungen standzuhalten - Die Polizei Hannover führte, in Zusammenarbeit mit dem Gewerbeaufsichtsamt, eine mobile Großkontrolle von Paketdiensten durch - Der erste Treffer ließ nicht lange auf sich warten

Überschreitung der Arbeitszeiten, nicht ausgefüllte Arbeitszeitnachweise, Drogen- und Alkoholmissbrauch am Steuer und Illegaler Aufenthalt, sind da nur die Spitze des Eisbergs - Wir haben eine von sieben Streifenwagenbesatzungen der Zentralen Polizeidirektion Hannover bei ihrer Kontrolle reportagig begleitet

Es ist früh am Morgen, um halb sieben, als sich Einsatzleiter Pierre Fourmont mit seinen Kollegen im Gebäude der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen in Hannover zur Einsatzvorbesprechung trifft. Auch vor Ort sind zwei Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes. Geplant ist eine mobile Großkontrolle mit insgesamt sieben Fahrzeugen, 14 Beamten und den Kollegen des Gewerbeaufsichtsamt. Im Fokus sind  Paketzusteller, die gerade jetzt kurz vor Weihnachten, unter enormen Druck stehen, da ihre Fahrzeuge immer mehr Pakete auf der Ladefläche haben, die ausgeliefert werden müssen. Für die Fahrer bedeutet das, zu lange Arbeitstage mit mehr als 13 Stunden, die keine Seltenheit sind, über 120 Mal am Tag ein- und aussteigen und natürlich Treppensteigen. Für viele Farer eine extreme Belastungsprobe, der sie nur unter Drogen oder Alkohol standhalten.

Nachdem Polizeikommissar Pierre Fourmont seine Kollegen eingewiesen hat, geht es auch schon auf die Straße. Er und sein Kollege Christian Berthold (50 Jahre und Oberkommissar) machen sich zunächst, wie alle anderen Polizisten auf den Weg zum Messeschnellweg, einer autobahnartigen Straße, die in unmittelbarer Nähe eines Paketverteilzentrums liegt. Um in die Stadt zu gelangen,fahren die meisten Zusteller über diese Straße. Pierre und die Kollegen postieren sich an der Zufahrt einer Rast- und Tankstelle und beobachten den Verkehr, da rauscht auch schon der erste Streifenwagen los, um einen Lieferwagen zu kontrollieren. Auch für Fourmont (42 Jahre) und Berthold dauert es nicht lange bis sie ihren ersten Fahrer im Visier haben.

Sie rauschen auf den Schnellweg, um den zügigen Sprinter einzuholen. Fourmont zückt die Kelle und gibt dem Fahrer das Signal ihnen zu folgen. Die nächste Abfahrt nutzen sie, um den Transporterfahrer genauer unter die Lupe zu nehmen. Nachdem der Fahrer den Beamten seine Papiere gegeben hat, geht es auch schon los.Der Fahrer führt seinen Arbeitszeitnachweis nicht mit sich, der erste Verstoß. Beim Öffnen des Laderaumes purzeln auch schon die ersten Pakete, aus dem vollbepackten Fahrzeug, heraus. Etwa 190 Pakete, für insgesamt 140 Kunden, hat er auf dem Wagen und gibt an 13 Stunden täglich zu arbeiten, obwohl nur acht Stunden zulässig sind. Da werden Fourmont und Berthold hellhörig und möchten den Fahrer auf Drogenkonsum testen. Einige Reaktionstests geben den Beamten einen ersten Eindruck, darunter der Test bei dem der Fahrer mit seinen Augen einem Stift folgen muss, den Fourmont vor dem Gesicht des Fahrers hin und her bewegt. Als dem Fahrer dies kaum gelingt, die Augen immer wieder zurück springen und er auch auf einem Bein zittert wie Espenlaub, wollen sie ihn einem Drogenschnelltest unterziehen. Der Fahrer beteuert, er würde keine Dogen zu sich nehmen, bis auf das letzte mal vor 17 Jahren. Doch der Drogentest, mit dem abgegebenen Urin des Fahrers, zeigt etwas anderes. Da bei der Markierung für Amphetamine kein Strich erscheint, weist dies auf den Missbrauch dieser Droge hin. Der Fahrer bleibt bei seiner Aussage und redet sich um Kopf und Kragen. Erst habe er nur Magnesium und Proteine für sein Krafttraining genommen und dann Medizin für seine angebliche Magen- Darmerkrankung. Immer wieder spricht er davon, wie schlecht die Arbeitsbedingungen seien und er ein unbescholtener Lieferfahrer sei. Doch es nutzt alles nichts, er muss mit auf die Wache und sich einer Blutentnahme unterziehen. Den Transporter seines Arbeitgebers muss er an Ort und Stelle stehen lassen und sich vor Fahrtantritt von Berthold durchsuchen lassen.

Auf dem Weg, in die hiesige Polizeidirektion, muss er sich dem Befragungsgeschick von Fourmont stellen, der ihn immer wieder dieselben Fragen stellt. Nach und nach verwickelt sich der Fahrer in Wiedersprüche und gibt schlussendlich zu,dass er sich ab und an mal etwas für sein Krafttraining spritzt, dennoch kann er sich nicht erklären warum der Drogentest anschlägt.

Auf der Dienststelle angekommen, geht für die Beamten die Bürokratie los. Der Vorgang muss angelegt und geschildert werden.Viel Zeit, die im Büro verfliegt, ehe die herbeigerufene Ärztin eintrifft, die dem Beschuldigten die Blutprobe entnimmt. Für den Fahrer wird die Luft dünn. Wortwörtlich, denn als die Ärztin erst beim zweiten Stich die Vene des 23-Jährigen trifft, wird ihm leicht komisch und er fängt an zu schwitzen und muss sich in den Stuhl legen. Für die Beamten ein Beweis mehr, dass mit dem Mann etwas nicht stimmt. Für die Beamten der erste Volltreffer des Tages, gleich zu Beginn der Kontrolle und für den jungen Fahrer die vorerst letzte Fahrt. Ihm wird die Weiterfahrt für mindestens 24 Stunden untersagt, er muss mit einer Geldbuße von mindestens 200 Euro, vom Gewerbeaufsichtsamt, wegen der fehlenden Arbeitsblätter, rechnen. Sollte der Bluttest den Drogenschnelltest bestätigen, ist sein Führerschein für einen Monat weg und er muss mit einem Bußgeld von etwa 500 Euro, zuzüglich der Kosten für die Blutentnahme und das Gericht, rechnen. Für den Polen viel Geld, zumal die Fahrerjobs ziemlich schlecht bezahlt sind, so Fourmont.

Für die Kollegen von Fourmont und Berthold startet der Tag ähnlich. Ein Team der Polizei hat im Nebenraum einen russischen Fahrer sitzen, der nicht zum ersten Mal erwischt wird. Bei ihm vermuten die Kollegen einen gefälschten Pass, außerdem hält er sich illegal in Deutschland auf, da er ein Einreiseverbot, durch die Kollegen in Pyrna, erhielt und zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Auch bei diesem Fahrer vermuten die Beamten Drogenmissbrauch und testen ihn.

Zurück auf der Straße geht es am Mittag auf die BAB2, da die meisten Fahrer nun hier anzutreffen sind, vor allem Fahrer aus dem osteuropäischen Raum. Immer wieder kommt es zu Unfällen mit Schwerverletzten oder gar Toten, weil die Fahrer völlig überarbeitet und teils aufgeputscht mit Drogen und Alkohol sind. "Das macht der Körper nicht lange mit" so führt Fourmont sinngemäß weiter in seinen Schilderungen aus.

Insgesamt kontrollierten die Beamten,allein in der Frühschicht, 41 Fahrzeuge und stellten hierbei zehn Verstöße gegen die Fahrpersonalverordnung, fünf Geschwindigkeitsüberschreitungen, 4 Abstands- und zwei Rotlichtverstöße, eine Ordnungswiedrigkeit,wegen fahren unter THC und eine unter Amphetamin, eine Straftat wegen fahren unter Alkohol mit 2,7 Promille und ein Verdacht der Urkundenfälschung,mit illegalem Aufenthalt.  Ein erschreckendes Ergebnis, wenn man bedenkt, wie viele Transporter auf den Straßen unterwegs sind!!!

Doch es sind nicht alle so, denn der restliche Arbeitstag von Fourmont und Berthold bleibt ruhig. Kontrollierte Fahrer, die ausgefüllte Arbeitblätter haben, bei denen die Ladungssicherung passt und ein kurioser Fall, bei dem Drogenkonsum vermutet wird, sich aber im Schnelltest nicht untermauern lässt. Für diese Fahrer sind diese Kontrollen der Polizei zwar auch Stresssituationen, aber sie verstehen es. Sie kennen die Kollegen und den Druck der auf vielen lastet. "Es gibt viele Sprinterfahrer die nonstop fahren,...ein hartes Gewerbe" so eine Fahrerin im Interview mit uns.

Insgesamt bekommt man den Eindruck, dass die Welt der Lieferdienste eine zunächst unscheinbare ist, hier jedoch Menschen zu Mindestlöhnen ausgenutzt und an ihre Grenzen gebracht werden. Zeitdruck, viele Pakete, die ankommen müssen, bevor man Feierabend machen darf und wenig Zeit für sein eigenes Leben, bevor der nächste harte Arbeitstag wieder beginnt. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit.