Meldung 2194

Samstag, 05.01.2019, 03:00 Uhr

aktuell24
Tierliebe, die Schule machen könnte:

590 Hühner vor dem sicheren Tod gerettet - Etwa 20 Mitglieder eines Tierschutzvereins retten in einer Nacht- und Nebelaktion Hühner und vermitteln sie an freudige Abnehmer - Legehennen sind nach 1 Monaten Dienstzeit nicht mehr rentabel für Landwirt - Bauer arbeitet erstmals mit Tierschutzverein zusammen und gibt seine treuen "Mitarbeiterinnen" an Verein ab - Rettungsaktion ruft Polizei auf den Plan, die zunächst von einem illegalen Vorhaben ausgeht

Ausrangierte Hühner werden im Regelfall getötet - Tiere werden mitten in der Nacht in Transportboxen abtransportiert - Abnehmer aus halb Deutschland freuen sich den Tieren gegen eine Spende an den Verein eine zweite Chance in Würde zu geben - Wir haben die Rettungsaktion vom Legestall bis zum Alterswohnsitz begleitet

Es wirkt auf den ersten Blick nach einer illegalen Aktion: Mitten in der Nacht rollt in Abbesbüttel bei Gifhorn ein ganzer Konvoi von Fahrzeugen und Transportern an und weckt die Aufmerksamkeit bei Anwohnern. Etwa 20 Helfer und Mitglieder des Vereins "Stark für Tiere" kommen in den Fahrzeugen auf einem Hof, auf dem ein Legestall mit rund 600 Hühnern steht. Der Verein rund um Jennifer Breit, die Initiatorin der Aktion, will die Legehennen vor dem sicheren Tod retten. Denn diese Tiere haben ausgedient. Für den Landwirt sind sie nach vierzehn Monaten nicht mehr rentabel. Da sie nicht mehr genug Eier legen, würden sie getötet werden.

Es dauert nicht lange, da taucht auch schon die Polizei auf und will mit der Verantwortlichen sprechen, um in Erfahrung zu bringen, was die Unbekannten nachts um halb vier an dem Stall wollen. Doch Jennifer kann schnell aufklären: Es handele es sich um eine mit dem Besitzer abgesprochene Rettungsaktion. Der Landwirt arbeitet mit dem Tierschutzverein zusammen und möchte seinen treuen Mitarbeiterinnen ihren Alterswohnsitz gönnen. Die Beamten überprüfen dies jedoch zunächst noch und nehmen zur Sicherheit von einer Helferin die Personalien auf. Nachdem der geweckte Landwirt den Vorgang bestätigte, ist die Arbeit der Polizei auch erledigt und rückt wieder ab.

Die Retter bereiten sich derweil schon vor, haben Transportboxen aus den Fahrzeugen geladen und einige von ihnen Schutzanzüge übergezogen. Ausgestattet mit Kopflampen, die in roter Farbe leuchten, und Mundschutz beginnen sie den Stall zu leeren. Noch immer hat der Vorgang einen leicht illegalen Touch, jedoch hat die Nacht- und Nebelaktion einen Hintergrund: Die rund 600 Tiere schlafen entweder, oder sind bei Dunkelheit ohnehin deutlich ruhiger und laufen nicht umher. Für Retter und Tier ist dies stressfreier und nimmt nicht so viel Zeit in Anspruch, als würden die Tiere auf der Wiese gejagt werden.

Für den Bauern kommt die Aktion gelegen, wenngleich eine Zusammenarbeit zwischen Landwirte und Tierschutzvereine noch lange nicht Alltag ist. Worte wie "Skandal", "Tierquälerei" und "Aufdecken" fallen sicher jedem ein, der an diese Parteien in Kombination denkt. Doch in diesem Fall profitieren beide voneinander: Der Bauer weiß seine Hennen, die ihm 14 Monate gute Dienste geleistet haben, in guten Händen, die Arbeit des Ausstallens wird ihm abgenommen und der Verein kann Tiere vor dem sicheren Tod retten. Denn nach der aktiven Legezeit  haben die Tiere ausgedient, würden getötet und entsorgt werden.

Doch Jennifer Breit, erste Vorsitzende des Vereins, hat einen anderen Plan für die Tiere. In ihrem Netzwerk aus Helfern und Mitgliedern hat sie Abnehmer in halb Deutschland für die zunächst 650 angegebenen Tiere gefunden. Die Fahrzeuge der Helfer werden mit den Tieren in Transportboxen beladen und dann geht es unter anderem nach Bremen, Leipzig, Berlin, Schwerin, Hamburg, Köln, Bonn und Kiel, wo die Abnehmer an vereinbarten Treffpunkten warten, um die Hennen in Empfang zu nehmen. Zwar rettet der Verein regelmäßig Tiere auf ähnliche Weise, jedoch ist dies eine außergewöhnlich große Aktion für die Retter. Darum ist die Freude umso größer, als der Stall deutlich früher leer ist, als angesetzt.

Einen Teil der Legehennen nimmt Jennifer mit auf ihren Hof in Vollbüttel, wo sich ebenfalls einige Abnehmer für sieben Uhr angekündigt haben. Eine von ihnen ist Ira Warnecke. Sie hat schon häufiger gerettete Tiere abgenommen und zum Teil wieder aufpäppeln müssen. Auch diesmal sind einige wenige Tiere nicht im besten Zustand, denen Ira sich annimmt. Nachdem der Vertrag des Vereins unterzeichnet ist und eine Spende geleistet, geht es für die Tiere in ihr neues, schlachtfreies zuhause. Für Ira eine Herzensangelegenheit, welche ihr sehr viel Freude bereitet. Die Tiere beim Aufblühen zu beobachten, gibt ihr ein gutes Gefühl und genug Eier für den Eigenbedarf gibt es obendrauf.

"Sicherlich wird man bei jährlich 50 Millionen Legehennen auf diese Weise nicht alle Tiere retten können." Dieser Illusion gibt sich Jennifer nicht hin. "Jedoch wird man ein paar Tieren auf diese Weise ein Leben in Würde schenken. Und vielleicht sogar noch ein paar mehr, wenn sich weitere Landwirte finden, die sich eine solche Zusammenarbeit mit Tierschutzvereinen vorstellen können."