Mittwoch, 30.06.2021, 23:30 Uhr
Enttäuschung über starres Verhalten des Chefs: "Er meinte, ich soll mich nicht so anstellen und einen Schluck Wasser trinken. Dann gehe es Kreislauf wieder gut und die Kopfschmerzen seien egal." - Auch andere Betroffene melden Döhler ähnliche Erlebnisse, nachdem sie ihren Vorfall öffentlich machte - Da Kündigung in Probezeit stattfand, ist keine rechtliche Handhabe vorhanden - Fachanwalt für Arbeitsrecht erkennt sittenwidriges Verhalten, was sich jedoch nur schwer vor Gericht beweisen lässt
Eigentlich war der 1. Juni für Bianca Döhler ein toller Tag. Die 39-Jährige hatte gerade einen neuen Job in einer Edeka-Filiale in Wolfsburg angetreten und kam nach ihrem ersten Feierabend auch glücklich nach Hause. In der Erwartung, einen längerfristigen Arbeitsplatz zu haben, nahm sie dann am 4. Juni ihren Impftermin wahr. Schon vor Wochen hatte sie diesen festgesetzt und ihren künftigen Arbeitgeber auch darüber informiert. "Er meinte, dass es ja kein Problem wegen Krankheitstage in der Probezeit sei", erinnert sich Döhler nach ihrem Gespräch, wie sie bei Nebenwirkungen umgehen soll.
Denn diese traten nur wenige Stunden nach dem Piks mit dem Johnson & Johnson-Wirkstoff tatsächlich auf. In Erwartung einer positiven Rückmeldung hielt sie auf dem Heimweg in dem Supermarkt und teilte mit, dass sie vorerst am Samstag nicht arbeiten werde. "Der Marktleiter meinte, ich soll mich nicht so anstellen und einen Schluck Wasser trinken. Dann gehe es dem Kreislauf wieder gut und die Kopfschmerzen seien egal", erinnert sich Bianca Döhler. Und der Chef setzte noch eins obendrauf: "Er meinte, ich soll mich nicht so anstellen. In der Probezeit werde man nicht krank, ansonsten werde ich das schon merken."
Erschüttert von diesem Erlebnis ging sie nach Hause, wo sie ihr Mann sowie Freunde moralisch wieder aufbauten. Am Montag brachte sie dann die Krankenbescheinigung vorbei, nachdem sie thromboseartige Symptome entwickelt hatte. "Der Marktleiter meinte da schon, dass er nicht weiß, wann wir uns wiedersehen", so Döhler, Wenig überraschend erhielt sie kurz darauf Post. In dem Schreiben wurde ihr lediglich lapidar mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis fristgerecht beendet werde. Aufgrund der Probezeit sind keinerlei Begründungen notwendig. Bianca Döhler ist schockiert. Hat sie wirklich durch diese Impfung ihren Job risikiert? Doch ihre Freunde winken ab. "Alle sahen das Positive und sagten, es war richtig, was ich gemacht habe", erzählt die junge Frau. Und sie geht noch weiter.
Kontaktversuche mit Edeka Deutschland scheitern, weil diese auf den Markt verwiesen, der selbstständig agiere. Also machte Bianco Döhler ihre Erlebnisse in den sozialen Medien publik. Mit einem großen positiven Feedback. "Ich habe auf Facebook viele Zuschriften von anderen Mitarbeitern und Menschen. Sie alle lobten, dass sich endlich mal wer traue, etwas zu sagen", kritisiert Döhler. Demnach komme es häufiger vor, dass Mitarbeiter nach Impfnebenwirkungen - nicht nur im Supermarkt - gekündigt wurde.
Kurzzeitig hatte Döhler überlegt, die Kündigung rechtlich prüfen zu lassen. Doch die Erfolgschancen sind gering. Denn bekanntlich muss der Arbeitgeber bei Kündigungen in der Probezeit keinerlei Angaben zum Grund machen. Dr. Oliver Nowak, Fachanwalt für Arbeitsrecht, sieht es ebenfalls als schwer an, hier rechtlich vorzugehen, da es kaum Beweise gebe. Doch das Verhalten des Arbeitgebers hält er für sittenwidrig: "Kein normaler Arbeitgeber würde hier eine Kündigung aussprechen. Das hätte vor Gericht keine Chance."
Gegenüber aktuell24 teilte das Unternehmen mit, dass es sich um eine rechtmäßige Kündigung handle. Eine Unternehmenssprecherin betonte weiterhin, dass Nebenwirkungen und die damit verbundene Krankmeldung kein Grund für die Kündigung sei. Was sich Bianco Döhler stattdessen in den ersten drei Arbeitstagen zu Schulden kommen lassen soll, darüber schweigen sowohl Chef als auch Unternehmen.
Das Arbeitsamt möchte bei künftigen Vermittlungen auf jeden Fall stärker auf eine vorhandene Impfung achten. Für Bianca Döhler ist auf jeden Fall klar, dass sie richtig gehandelt hat: "Wer weiß, wie lange ich dann wieder auf einen Termin gewartet hätte. Wenn sich eine Tür öffnet, öffnet sich eine neue."